Auf der Suche nach nachhaltigen Geschäftsmodellen

New Business Models, nachhaltiges Wirtschaften, Zukunftsfähigkeit, Konferenz
Foto: FH Salzburg

"40 Jahre Weltuntergangsdiskussion sind genug. Wir sollten endlich die Innovationschancen wichtiger Themen wie Umwelt und Gesundheit nutzen. Hören wir auf damit, weniger kaputt zu machen und beginnen wir damit, es von Anfang an richtig und gut zu machen." Mit diesem eindringlichen Apell eröffnete Michael Braungart, Erfinder des Cradle-to-Cradle Ansatzes die Konferenz am 18. Oktober an der FH Salzburg. Draußen ist herrliches Wetter, blauer Himmel, die Sonne strahlt, es hat an die 20° Celsius.

Ich sitze mit geschätzt 100 anderen Menschen aus Unternehmen, Wissenschaft, NGOs, Universitäten und Fachhochschulen im Hörsaal und denke "Ja, genau! Machen wir's doch gleich richtig, von Anfang an." Das sagt sich leicht und ist doch meist schwierig zu realisieren. Wir stecken tief drinnen in unseren Mustern, wir klammern uns an unsere Glaubenssätze, wir haben damit bisher doch gute Erfahrungen gemacht. Mich hat der Titel der Konferenz angesprochen, ja, angelockt: ich erhoffe mir Inspiration, wie andere erfolgreich nachhaltig wirtschaften. Am Abend werde ich für mich festgestellt haben, dass es noch ein weiter Weg zu wirklich neuen Geschäftsmodellen ist. Da sind schon erste Ansätze, da gibt es gute Ideen, aber das "revolutionäre" oder "evolutionäre" Neue konnte ich (noch) nicht entdecken. Die Lock-In Mechanismen unseres bestehenden Wirtschaftssystems sind extrem stark. Aber der Reihe nach...

veränderung von innen: freche freunde

Freche Freunde aus Berlin bietet "gesündere" Nahrungsmittel für Kinder an. Alexander Neumann, Gründer von Freche Freunde, erzählt von den Anfängen. Er bringt unter anderem 5 Jahre Erfahrung in der Marketingabteilung von Nestlé mit. Dort, beim Schweizer Konzernriesen, sei die Entscheidung gereift, bessere Nahrungsmittel herzustellen, die mit weniger Zucker und ohne Zusatzstoffe auskommen. Er bindet seine KundInnen - Eltern und Kinder - frühzeitig ein, kommuniziert spielerisch und "provoziert mit Augenmaß", um Aufmerksamkeit zu erlangen. Kinder können in speziellen Kochkursen eine Leidenschaft für Essen und Genuss entwickeln.

 

Alex und seinem Team gelingt es, mit dem Unternehmen Druck auf Konzerne aufzubauen. Freche Freunde nehmen den Big Guys der Branche Regalplatz in den Supermärkten weg, weil immer mehr KonsumentInnen auf gesunde Ernährung Wert legen. Die Großen reagieren und kopieren seine Produktstrategie. Eine Innovationsspirale setzt sich in Gang. Das ist das Schöne an der wettbewerbsorientierten Marktwirtschaft.

 

Das weniger Schöne ist: eine Geiz-ist-Geil-Mentalität; Preise, die nicht den tatsächlichen Kosten der Produkte entsprechen (Stichwort: gesellschaftliche und ökologische Folgekosten); übermächtige Handelspartner, die Preisdruck ausüben. Mit anderen Worten: strukturelle Rahmenbedingungen, die täglich harte Kompromisse erzwingen, die eine Balance zwischen "gut, richtig, nachhaltig" und "notwendig" zu einer Herkulesaufgabe werden lassen. Und die am Ende des Tages in einem "weniger schlecht" enden, anstatt das von Braungart zu Beginn geforderte "gut von Anfang an" zu ermöglichen.

 

Damit wir uns nicht falsch verstehen, ich finde das Engagment von Alex, seine Ideen, seine Ziele toll und bewundernswert. Ich frage mich nur, ob eine Veränderung von innen auf eine Art und Weise möglich ist, die letzlich zu einem neuen Wirtschaften führt, oder ob man dabei am Ende nicht doch an eine gläserne Decke stößt, die einen zwingt, sich  mit einem "weniger schlecht" zu Frieden geben zu müssen?

Next Step: Nachhaltigkeit verkaufen

Organic Basics CEO Mads Rasmussen aus Dänemark stellt seine nachhaltige Unterwäsche vor. Er möchte einen Gegenpol zur "wirklich dreckigen Fast Fashion Industrie" sein. Dafür setze er sich mit seinem Team über die eigentlichen Produkte dafür ein, dass die Produktionsbedingungen vor Ort besser werden, aber auch, dass die KonsumentInnen besser mit den Produkten umgehen. Auf der Website gibt's Tipps, um den eigenen ökologischen Fußabdruck zu reduzieren.

 

Auch da denke ich: nicht wirklich neu. Mir kommen Armed Angels, Knowledge Cotton und andere nachhaltige Modemarken in den Sinn, die ebenfalls entlang der gesamten Wertschöpfungskette versuchen, soziale und ökologische Verbesserungen zu erreichen. Plötzlich jedoch ein Satz, der mich aufhorchen lässt: "Wir treffen immer die nachhaltigere Entscheidung. Damit fahren wir wirtschaftlich gut." Anders gesagt: nicht die ökonomische Ratio (geringere Kosten, mehr Effizienz, ...) sondern die langfristigen Auswirkungen bilden das Rückgrat der Entscheidungsfindung im Unternehmen. Das ist in der Form doch zumindest ungewohnt.

 

Nach dem Vortrag suche ich das Gespräch mit Mads, um mehr zu erfahren. Auf den Punkt gebracht, Organic Basics verkauft nicht Produkte, sondern einen ideellen Wert: Nachhaltigkeit. Damit nimmt Mads dem Spannungsfeld Profit vs. Nachhaltigkeit die Spannung. Profit entsteht DURCH Nachhaltigkeit. Mit dem Verkauf von Nachhaltigkeit statt einem Modeprodukt erreicht er eine andere Zielgruppe, von der er meint, sie ganz anders an die Marke binden zu können. Ich denke: noch nicht ganz neu, aber schon viel weiter als viele andere. Die Überwindung des "entweder Profit oder Umwelt/Gesellschaft"-Paradigmas in Richung "sowohl Profit als auch Umwelt/Gesellschaft" scheint hier im Gang zu sein.

Fazit

Wirklich Neues - im Sinne einer Geschäftsmodell-Innovation, die den Vergleich mit der Dampfmaschine, der Glühbirne, dem Telefon oder dem Internet nicht zu scheuen braucht - war für mich nicht dabei. Dennoch konnte ich lohnende Einblicke gewinnen und gute Gespräche führen. In meinem Kopf rattert es auf der Heimfahrt jedenfalls ordentlich weiter. Die Frage nach dem wirklich Neuen lässt mich nicht los. Vielleicht könnte Mads seine Unterwäsche ja auch verleasen statt sie zu verkaufen? Du trägst sie, bis sie zerschlissen ist, zahlst dafür eine Leasinggebühr, und am Ende sendest du sie zurück, damit aus dem Stoff wieder eine neue Unterhose entstehen kann. Und bekommst dafür noch einen Bonus...