Die Kosten der Untätigkeit. Oder: durchtauchen ist nicht!

Untätigkeit in Sachen Bekämpfung des Klimawandels – oder besser gesagt der rasant zunehmenden Erderhitzung – kostet wirklich viel Geld.

 

Vor einigen Tagen hat etwa der Tagesspiegel über Auswirkungen auf das Haushaltsbudget in Deutschland berichtet: bis zu 30 Milliarden Euro zusätzlicher Kosten könnten auf Deutschland zukommen, weil das Land mit seiner jüngst wieder deutlich abgeschwächten Klimaschutzpolitik EU-Vorgaben zur Reduktion von Treibhausgasen zu verfehlen droht und dadurch Ausgleichszahlungen im Rahmen des europäischen Emissionshandels ausgelöst würden.

Schockierende Zahlen, kaum Widerhall

Der Energiejournalist Ralph Diermann stellte in diesem Zusammenhang treffend fest, wie seltsam wenig Widerhall und Aufregung solche Berichte in der Bevölkerung, aber auch in der Politik selbst auszulösen scheinen. 30 Milliarden Euro zusätzliche Kosten im Budget, das sind 0,9% des deutschen BIP, die ja finanziert werden müssen – entweder durch erhöhte Steuereinnahmen (Stichwort: CO2-Steuer) oder durch Kürzungen, etwa im Sozialbereich (wie sie seit Jahren im Zuge der anhaltenden Austeritätspolitiken quer durch Europa stattfinden).


Angesichts der wenig ambitionierten österreichischen Klimaschutzpolitik, die mit rückwärtsgewandten Ideen wie dem Einsatz für die dritte Flughafenpiste, der Beibehaltung des Dieselprivilegs und der Waldviertelautobahn eher zu einem Anstieg der CO2-Emissionen als zu deren Reduktion beiträgt, ist zu erwarten, dass auch Österreich die Klimaziele verfehlen und damit wohl Zahlungen leisten wird müssen. Wie hoch, wissen wir nicht, aber wenn wir eine ähnliche Struktur wie in Deutschland annehmen, wären das wohl um die 3 bis 3,5 Mrd. Euro. Das ist übrigens soviel Geld, wie Österreich 2017 für Polizei und Feuerwehr aufgewendet hat.

Kosten sind seit Jahren bekannt

Interessant auch deshalb, weil solche Berechnungen nicht wirklich neue Erkenntnisse bringen. Bereits 2006 hat der ehemalige Weltbank Chef-Ökonom Sir Nicholas Stern in einem Bericht die Kosten von Umweltschäden durch den fortschreitenden Klimawandel beziffert: konservativ geschätzt mindestens 4 Billionen USD pro Jahr weltweit (5% des globalen BIP), wenn Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels ausbleiben (bei einem erweiterten Risikoverständnis sogar 20% des globalen BIP). Umgelegt auf Österreich wären das mindestens 4,1 Milliarden Euro  pro Jahr oder 1,1% des BIP.


Ja, alle diese Zahlen sind mit Unsicherheiten und Schwankungen behaftet. Alle diese Zahlen sind meist volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, die schwer bis gar nicht auf einzelne Unternehmen, Branchen, Maßnahmen und Menschen heruntergebrochen werden können. Aber alle diese Zahlen gehen seit Jahren in dieselbe Richtung, und alle diese Zahlen stammen von Institutionen und Menschen mit langer ökonomischer Tradition und großer Reputation.

 

Kurz gesagt: es gibt breitesten Konsens darüber, dass (politische) Untätigkeit in Sachen Klimawandel verdammt hohe Kosten verursachen wird, die sich auf uns alle – von der einzelnen Bürgerin bis zum einzelnen Unternehmen – drastisch auswirken werden. Ökologisch, sozial und damit letztlich auch massiv ökonomisch:

  • Rohstoffverknappung und damit höhere Energiekosten durch den steigenden Energiehunger stark wachsender Nationen wie etwa China und Indien (1);
  • höhere Rohstoffkosten aufgrund des weiterhin ungebremsten Materialbedarfs vieler Industriezweige (2);
  • höhere (Gesundheits-) Kosten und mehr Tote durch vermehrte Extremwetterereignisse;
  • höhere Kosten für Lebensmittel durch Probleme in der Landwirtschaft, die benötigten Mengen herzustellen;
  • höhere Kosten und zunehmende soziale Spannungen durch Klimaflüchtlinge;
  • und nicht zuletzt wahrscheinlich auch höhere Kosten aus Steuern und Abgaben, um einige der oben genannten anderen Positionen volkswirtschaftlich gesehen finanzieren zu können.

Klimaschutz lohnt sich

Angesichts der erdrückenden Faktenlage sollten sich gerade Unternehmen hier und heute intensiv mit dem Thema Klimawandel und nachhaltige Entwicklung auseinandersetzen. Denn sie besetzen eine dreifachen Rolle in diesem globalen Stück: (Mit-) Verursacher von Problemen, Betroffene dieser Probleme und auch jene, die mit innovativen Lösungen zur Bekämpfung der Probleme beitragen können.


Und: es lohnt sich! Gleichzeitig mit den Untersuchungen zu den Kosten des Klimawandels gibt es immer mehr Studien, die sich mit dem wirtschaftlichen Potential auseinandersetzen, das mit nachhaltiger Entwicklung, mit nachhaltigen Produkten und Services verbunden ist:

  • So prognostizierte etwa das deutsche Umweltministerium im Jahr 2016, dass der globale Markt für Umwelt- und Effizienztechnologien 2,5 Billionen Euro beträgt und sich „bis 2025 mindestens verdoppeln“ wird . In dessen jüngsten Bericht Klimaschutz in Zahlen aus 2017 wird von zusätzlichen 430.000 Arbeitsplätzen in Deutschland im Bereich Klimaschutzmaßnahmen bis 2020 ausgegangen.
  • Schätzungen von PwC, IEA, OECD und Weltbank im Rahmen des WBCSD-Projekts Vision2050 ergeben ein globales Geschäftsvolumen von drei bis zehn Billionen USD jährlich, insbesondere profitieren Sektoren wie Energie, Landwirtschaft, Wasser, Metalle, Gesundheit und Bildung. (3)
  • WissenschafterInnen der Stanford University haben in einem jüngst in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichten Bericht ein globales wirtschaftliches Potential von 20 Billionen USD bis 2100 identifiziert, wenn das Pariser Klimaabkommen und damit das ambitionierte Ziel von max. 1,5° durchschnittlicher Erwärmung eingehalten wird.

Fazit: je früher, desto günstiger

Die Veränderungen durch den fortschreitenden Klimawandel sind nicht mehr aufzuhalten, und sie werden hohe Kosten verursachen. Engagiertes Handeln, auf der anderen Seite, eröffnet große Möglichkeiten und gute Geschäfte. Jeder heute in den Klimaschutz investierte Euro wird ein Vielfaches an Wertschöpfung erbringen – aber der Return on Investment in diesem Bereich hängt stark vom Zeitpunkt ab: je früher vorgesorgt wird, desto günstiger wird’s am Ende. Für alle.

(1) aus: Iris Pufé: Nachhaltigkeit (3. Auflage, 2017), S. 75

(2) ebenda, S. 79

(3) ebendo, S. 31