Die Antwort auf Überregulierung? Hoffentlich nicht „keine Regulierung“!

Freitag, 17. Februar 2017.

Das neue CSR-Jahrbuch wird im Ministeriumsgebäude am Stubenring präsentiert. Mit dabei am Podium ist auch Familienministerin Sophie Karmasin. Sie wird gleich nach den Eröffnungsworten von Herausgeber Michael Fembek einen Input zum Thema „Nachhaltigkeit und Familienfreundlichkeit“ geben. Darin wird sie einen Satz sagen, der mich veranlasst, diesen – sehr persönlich gehaltenen – Blogpost zu schreiben.

Der Satz lautet sinngemäß „Wir wollen Unternehmen motivieren, nicht regulieren, zu mehr Familienfreundlichkeit beizutragen“ – vor allem, weil es schon so viel Regulierung gäbe. Ja, auch wir fragen uns in unseren Rollen als UnternehmerInnen das eine oder andere Mal, ob es nicht zu viele (sinnlose) Regeln und Pflichten gibt. Überregulierung ist auch in unseren Augen eine Tatsache in diesem Land. Aber daraus den Schluss zu ziehen, gar nicht mehr zu regulieren, halte ich für so falsch wie fahrlässig.


Warum?

 

Erstens, denke ich, gibt es genügend Beispiele, die zeigen, dass radikale Deregulierung (und damit meist verbunden: Privatisierung) für die Allgemeinheit zu schlechten, bisweilen sogar katastrophalen Auswirkungen führt. Das Platzen der US-Immobilienblase war eine direkte Folge der Finanzmarktderegulierung, die von Bill Clinton in den 90ern begonnen wurde. Die Eisenbahn in GB ist auch so ein Beispiel.


Zweitens, ohne Regulierung wären viele – heute rückblickend als wichtig und gut erachtete – Entwicklungen nicht (oder zumindest nicht so schnell) passiert. Mir fällt da z.B. der Katalysator ein, der erst durch gesetzliche Regelungen seinen flächendeckenden Siegeszug angetreten hat. Weitere Beispiele: Schutz der Ozonschicht durch FCKW-Verbot, Vermeidung sauren Regens.


Was ist die Alternative?


Es geht um die richtige Regulierung, sowohl was Quantität als auch Qualität betrifft. Der Markt braucht Spielregeln, um einen Ausgleich zwischen den Mächtigen und den Nicht-Mächtigen zu schaffen. Der „freie Markt“ kann und tut das nicht, auch weil seine Vertreter davon ausgehen, dass alle Marktteilnehmenden gleich mündig und frei sind, auf Augenhöhe miteinander Vereinbarungen treffen. Sind sie nicht. Stiglitz hat dies mal sehr schön gesagt, als er Gesellschaft (deren Mitglieder den „Markt“ nützen) mit Familie verglich, in der es auch Mitglieder gibt, die besonderer Regeln bedürfen. Kinder etwa. Was Eltern für Kinder sind, ist die Politik für die Gesellschaft. (Im Übrigen bin ich der Meinung, den „freien Markt“ gibt es nicht, aber das nur am Rande und zur Klarstellung).


Werden wir wieder konkret und befassen wir uns mit der Quantität. Österreich könnte wahrscheinlich viele Regeln und Gesetze ausmisten, die hoffnungslos veraltet sind, weil sie Bezug auf Zeiten, Verhältnisse, Produkte und Leistungen nehmen, die es schon längst nicht gibt. Und die verbleibenden sollten – Stichwort Qualität – auf ihre Funktion in der heutigen Welt überprüft und ggf. angepasst werden. Wir brauchen die richtigen Spielregeln für das heutige Spiel, für die heutigen Verhältnisse. Ursula Simacek, eine weitere Podiumsteilnehmerin und gestandene Unternehmerin, nennt etwa das NaDiVeG (Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz, oder anders gesagt: CSR-Reporting wird Pflicht) als Beispiel für solche notwendigen Spielregeln, um auch jene Unternehmen dazu zu bringen, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden, die das bisher nicht tun. Verantwortungsvolle Unternehmen, die schon seit Jahren Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichen, werden dadurch gestärkt und in ihrer Pionierrolle anerkannt.


Die Qualität der Regulierung hat noch einen Aspekt, für den ich mir eine Metapher von Post-General Pölzl ausborgen möchte, der ebenfalls am Podium war. Pölzl sprach von einem Vogel, der zwei Flügel braucht, um fliegen zu können: er bezog sich dabei auf das Anziehen der Produktivitätsschraube, die auf der anderen Seite aber Menschen braucht, denen es (im Unternehmen wie im Privaten) gut geht. Ich würde die Metapher gern uminterpretieren und sagen: lasst uns Motivieren (linker Flügel) und Regulieren (rechter Flügel) verbinden. Warum nicht Regulierung schaffen, die es Unternehmen frei lässt, ihren eigenen Umsetzungsweg zu gehen, indem Ziele geschaffen werden, die zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht sein sollen? Nicht den Weg regeln, nur das Ziel, und das idealer weise adaptiv, um auf die Veränderung des Status quo reagieren zu können.

 

Ohne Regulierung entsteht nicht genug Traktion und Tempo für dringend notwendige Veränderungen. Überregulierung erstickt UnternehmerInnentum. Deregulierung hilft bloß Wenigen. Richtige Regulierung schafft Mehrwert für alle.


PS: Ministerin Karmasin sagt am Schluss dann doch noch einen Satz, der mich versöhnlich stimmt. Die Frauenquote sei nun endlich fällig, denn sonst seien wir in 50 Jahren noch nicht bei einer gerechten Gleichbehandlung angelangt. Wir hätten die Unternehmen nun lange genug motiviert, ihren selbst auferlegten Verpflichtungen in diesem Bereich nachzukommen. Reicht leider nicht. Meine Red’.

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