Mit 6.12.2016 soll sie in allen Mitgliedstaaten der EU umgesetzt sein: die Richtlinie 2014/95/EU. Mit ihr werden große Unternehmen von öffentlichem Interesse verpflichtet, über wichtige nichtfinanzielle Aspekte zu berichten, und - sofern sie Aktien oder andere Wertpapiere nach definierten Kriterien handeln – zusätzlich ein Diversitätskonzept zu erstellen. Aber wie weit ist dieser Prozess in Österreich gediehen? Was ändert sich, und was heißt das für Unternehmen?
Ein Gastbeitrag von René Hartinger.
Nachhaltigkeit und Diversität verbessern
Gestern, 22. November 2016, wurde vom Ministerrat nach langem Warten und mit Verspätung (die Umsetzungfrist wird Österreich wohl verpassen) der Ministerialentwurf des BMJ für das NaDiVeG – das Nachhaltigkeits- und DiversitätsVerbesserungsGesetz – für die parlamentarische Behandlung freigegeben. Das Gesetz stellt die nationale Umsetzung der 2014 verabschiedeten NFI-Richtlinie dar, und verfolgt ein hehres Ziel: große Unternehmen, nämlich solche von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Mitarbeiter_innen, sollen sich verstärkt mit ihren Auswirkungen auf und ihre Mit-Verantwortung für den Zustand der Umwelt und der Gesellschaft auseinandersetzen. Auch die Transparenz in diesen Belangen soll unionsweit erhöht werden.
NaDiVeG: Paradigmenwechsel oder business as usual?
Ob das Gesetz in der gestern vorgeschlagenen Form in den nächsten Jahren eine angemessene Dynamik auslösen wird, um den Zielen der Richtlinie ausreichend näherzukommen, ist fraglich. Die
vorgelegte Version jedenfalls verspricht vor allem, niemanden wirklich zufriedenstellen: eine Verpflichtung der Unternehmen, etwas nicht näher Konkretisiertes zu fünf nichtfinanziellen
Themenbereichen zu berichten. Ob damit die gewünschten internen Prozesse angestoßen werden? Oder für den Gesetzgeber und die gesellschaftlichen Anspruchsgruppen eine bessere Basis für einen
Dialog mit den Unternehmen geschaffen wird? Wer könnte das vorhersagen!
Dabei sollten Nachhaltigkeit, Diversität, CSR und ehrlicher Stakeholder_innendialog heute nicht mehr als Bürden begriffen werden. Als Gesellschaft haben wir große Herausforderungen zu bewältigen,
und zwar gemeinsam: Unternehmen, Zivilgesellschaft und Politik. Von Ressourcenverkappung und Klimawandel über neue Arbeitsformen, schnellen technologischen Wandel bis hin zu
Altersarbeitslosigkeit und gesellschaftlichen Verteilungsthemen: es gibt viel zu tun - darin sind sich auch die Vereinten Nationen einig - und mit den SDGs (Anm.: Sustainable Development Goals, seit Ende 2015 in Kraft) hat man
sich hier auch eine konkrete Agenda gesetzt. Diese Ziele gehen die Politik an, die Zivilgesellschaft, und eben auch die Unternehmen. Auch in dieser sich offenbar tiefgreifend wandelnden Welt
heißt es, wettbewerbsfähig zu bleiben, als Staat, als Wirtschaftsraum wie als Unternehmen. Nämlich auch, wenn unternehmerische Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil zentraler und wichtiger wird.
No business is an island.
Denkt man darüber nach, warum das NaDiVeG dann in vorgelegter Form die Variante der Wahl sein sollte, wird man nicht zwangsläufig schlauer. Dem Gesetzgeber stünden zudem noch andere Instrumente
als jene des Gebotes und Verbotes zur Verfügung, um Wirksamkeit und Dynamik zu erhöhen. Denn um Nachhaltigkeit und Diversität in den Unternehmen wirklich zu verbessern, bedarf es vor allem
zweierlei: ernstgemeinter Prozesse in den Unternehmen, und ernstgemeinter Dialoge zwischen Unternehmen und Anspruchsgruppen, aus denen neue Sichtweisen gewonnen, Erkenntnisse gezogen und
Verbesserungspotentiale abgeleitet werden. Um solche Prozesse in mehr Unternehmen zu tragen - dafür sind NFI und das NaDiVeG als Chance zu verstehen.
Chance oder Bürde für Unternehmen?
Für die Unternehmen ist die unklare Situation und die Langwierigkeit des nationalen Umsetzungsprozesses ungünstig: mit spätestens 6.12.2016 sollen alle nationalen Gesetze stehen, und ab 1.1.2017
treten die Berichtspflichten nach EU-Recht in Kraft. Die nationale Umsetzung wird mit Stichtag in Österreich jedoch noch nicht beschlossene Sache sein. Es lässt sich zwar aus dem Vorliegenden
absehen, dass Unternehmen, die nicht in den konkreten Mindestanwendungsbereich nach Vorgabe der Richtlinie fallen, wohl nicht betroffen sein werden, dass die Berichtspflichten über unverbindliche
Empfehlungen für GRI hinaus wohl nicht weiter konkretisiert und externe Validierungen wohl nicht vorgeschrieben werden. Doch die parlamentarische Behandlung dieser Fragen liegt noch vor uns. Und
ob die gestern vorgeschlagene Version verabschiedet werden wird, oder noch einzelne Änderungen vorgenommen werden, bleibt bis dahin noch offen.
Dabei bedeutet ein Berichtswesen über nichtfinanzielle Indikatoren in Unternehmen solcher Größenordnungen keineswegs nur Aufwand und Kosten, sondern auch die große Chance, auf Dinge aufmerksam zu
werden, denen im geschäftigen Alltag sonst vielleicht nicht genug Aufmerksamkeit zugekommen wären. Die Chance, betriebliche Verbesserungspotentiale zu erkennen und zu heben. Und die Chance,
insgesamt ein tieferes und über die eigenen Perspektiven hinausgehendes Verständnis der eigenen Organisation, der Umwelten wie der großen Entwicklungen und Trends im Makroumfeld zu entwickeln.
Dem Aufwand des Aufsetzens solcher Prozesse können – hier liegt die Chance! - durchaus Zeiten folgen, in denen er reiche Früchte trägt.
Direkt betroffen werden voraussichtlich wohl etwa 125 Unternehmen sein. Sie werden künftig nichtfinanzielle Berichte in ihre Lageberichte aufnehmen, oder Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichen.
Was aber bedeutet das für Unternehmen, die nicht direkt in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen? Wird sich dadurch in den Geschäftsbeziehungen etwas ändern? Und die nächste, für eine
Exportnation wichtige Frage: wie setzen die anderen europäischen Staaten um, mit denen die heimischen Unternehmen Geschäfte machen?
Viele diese Fragen stehen derzeit noch offen im Raum. Denkt man weiter, könnte man sich aber darüberhinaus durchaus fragen: wie könnte Österreich dieses Gesetz alternativ nutzen, um die Stärken
seiner fortschrittlichen, innovativen und vielfach verantwortlich und nachhaltig aufgestellten Wirtschaft im internationalen und globalen Wettbewerb weiter zu stärken und zu positionieren, und
zwar im Einklang mit den und zu Gunsten der Stärkung der globalen Ziele? Hätte Österreich und seine Wirtschaft nicht auch das Zeug, in diesem Bereich zu einem Vorzeigeland und globalen Vorreiter
zu werden?
Über den Autor
René Hartinger studiert im MBA-Programm an der Donau Universität Krems und beschäftigt sich im Rahmen seiner Master Thesis "Quo vadis, CSR? Chancen und Perspektiven nachhaltigen Wirtschaftens von KMU in Wien" intensiv mit der EU-Richtlinie und deren nationaler Umsetzung. Die Abschlussarbeit mit einer detaillierteren Untersuchung zu diesen Fragen wird im Jänner 2017 vorliegen.
Wenn Sie mehr über dieses Thema und die Chancen, Perspektiven und Herausforderungen nachhaltigen Wirtschaftens erfahren möchten, kontaktieren Sie uns - wir freuen uns auf Ihre Fragen.
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Sabrina Bagus (Mittwoch, 25 Januar 2017 14:25)
Seit dem Januar diesen Jahres ist in Deutschland die Abgabe einer CSR-Berichterstattung verpflichtend. Für die Unternehmen ist die Erstellung eine große Herausforderung, bietet aber anscheinend auch Raum zur Umgehung.
Es wäre spannend zu erfahren, welche Erfahrungen in Österreich bereits mit den Nachhaltigkeitsberichten gemacht wurde!