Wie man ein Paradigma umbringt.

Paradigm Shift
(C) technospiritualist, Okt. 2013

The business of business is business. Oder: Profit. Oder: Shareholder Value. Schon auch, weil ohne einen gewissen Fokus auf das Geschäft das Geschäft bald Geschäft gewesen sein wird. Aber eben ein gewisser Fokus. Nicht der alleinige Fokus, wie es seit gut vier Jahrzehnten ausgehend von Chicagoer Ökonomen um Milton Friedman, um gleich mal DIE prominenteste Vertreterin der immer noch vorherrschenden ökonomischen Lehrmeinung in die Auslage zu stellen, verlautet. Wobei, Lehre ist gut, ich würde diese Art des Denkens und Handelns eher in die Schublade der TINA-Ideologie packen. TINA? Margaret Thatcher’s Spitzname. Und Akronym: There Is No Alternative.

Nach Auffassung des deutschen Soziologen Helmut Dubiel bringt diese Formel ein technokratisches Weltbild auf den Punkt und versucht soziale und ökologische Forderungen abzuwehren, indem es auf einen zwingend zu beschreitenden Entwicklungspfad verweist. Immer mehr Menschen denken ähnlich und wollen sich nicht mehr mit einer (Wirtschafts-) Welt ohne Alternativen zufriedengeben. Wirtschaftsstudentinnen hinterfragen eine Ökonomie, die als eindimensionales Naturgesetz daher kommt und verlangen Vielfalt in der Lehre. Etablierte und äußerst erfolgreiche Managerinnen kritisieren die quasi-religiöse Huldigung des Götzen Mammon in Form des Shareholder Value – und das gleich im Forbes-Magazin. Und mehr und mehr Wirtschaftstreibende, Bürgerinnen, Vereine und Politikerinnen schließen sich Ideen wie der einer Gemeinwohl-Ökonomie an, die mehr als nur Profit anstrebt.

Achtung! Stolperfalle! Ich bin nicht GEGEN Profit. Profit ist gut und unternehmerisch lebenswichtig, aber Profitmaximierung als alleiniges Ziel ist schlecht. Denn durch die Maximierung dieser einen Variablen, der exklusive Fokus auf die finanzielle Situation, muss es zwangsläufig zu einer Konkurrenzsituation mit sozialen und ökologischen Faktoren kommen, welche somit ausschließlich als Kosten und Hindernisse verstanden werden. Es geht um die Ablösung des Paradigmas „entweder/oder“ durch „sowohl/als auch“, wie es Tania Ellis in ihrem Buch The New Pioneers beschrieben hat. Plakativ gesprochen, entweder Gewinn machen oder sich um die Umwelt kümmern war früher. Heute ist, sich um die Umwelt kümmern und damit Gewinn sicherstellen.

Auch die organisationale Systemtheorie bietet einen Ansatz, warum ein zu enger Fokus auf Profite und ein fehlender Blick auf die eigene Umwelt einen Fehlschluss darstellen. Unternehmen sind Organisationen, welche vordergründig entstanden sind, um Probleme der Gesellschaft mit marktwirtschaftlichen Prinzipien zu lösen (andere Formen von Organisationen mit dem Zweck der Problemlösung mit anderen Mitteln sind etwa NGO und Vereine, aber auch die Körperschaften der öffentlichen Verwaltung). Unternehmen sind also soziale Konstrukte, die durch die Gesellschaft, in der sie eingebettet sind, geformt und beeinflusst werden. Ebenso wirken Unternehmen durch ihr Handeln auf eben jene Gesellschaft wieder zurück. Unternehmen sind, anders formuliert, eine Funktion der Gesellschaft. Ohne diese können sie nicht bestehen, ja würden sie nicht bestehen. Es gehört meines Erachtens daher ziemliche Chuzpe bzw. Ignoranz bzw. Arroganz dazu, wenn Unternehmen NICHT über den eigenen Tellerrand schauen und beachten, was sie mit ihren Handlungen auslösen und wie sie auf Gesellschaft und Umwelt (rück-)wirken.

Wie also schafft man das alte, eindimensionale Paradigma aus der Welt? Indem man zukunftsfähig wirtschaftet, d.h. Verantwortung über örtliche und zeitliche Grenzen hinweg übernimmt. Die örtliche Grenze wäre im ersten Schritt erstmal die eigene Organisationsgrenze. Die zeitliche jene, auch an die nachfolgenden Generationen zu denken und so zu handeln, dass auch sie ein gutes, selbstbestimmtes Leben führen können. Der deutsche Rat für nachhaltige Entwicklung bringt es folgendermaßen auf den Punkt „Wir müssen unseren Kindern und Enkelkindern ein intaktes ökologisches, soziales und ökonomisches Gefüge hinterlassen. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben.“

von Michael Bauer-Leeb

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